Ein Sommer wie damals?
Es gibt doch diese Leute, die das ganze Jahr nur auf den Sommer warten, in der Hoffnung er würde besser als die restliche Zeit des Jahres. Oder der beste Sommer überhaupt.
Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt...
Vielleicht, weil sie da ihren Haupturlaub haben und dem Alltag entfliehen können. Vielleicht, weil die feinen Terrassenabenden mit Freunden und Bier nur an lauen Sommerabenden Spaß machen. Vielleicht aber auch, weil der letzte Sommer nie so war, wie sie ihn sich vorgestellt haben und deshalb immer auf den nächsten hoffen müssen.
Ich gehöre ja in gewisser Weise genau zu dieser Sorte Mensch. Ich habe eine relativ bestimmte Erwartungshaltung an die Wochen in der heißen Jahreszeit. Ich möchte besonders viel Zeit und Spaß mit der Familie erleben, am See sein, die Natur genießen und hier und da auch etwas Me-time abbekommen. Wenn ich dann noch ein bisschen braun werde, ist das Glück perfekt. Eigentlich nichts Außergewöhnliches. Diese Vorhaben klingen sogar sehr realistisch und bei genauer Betrachtung würden sie ohne Weiteres auf alle Jahreszeiten passen (ausgenommen das Hauttonthema). Dennoch sind und waren diese Erwartungen zu Beginn des Sommers enorm präsent.
Time flies
Warum unsere Erwartungen die gefühlte Dauer eines Erlebnisses beeinflussen, versucht Stefan Klein in seinem Buch "Zeit. Der Stoff aus dem das Leben ist" zu erläutern und kommt dabei zu dem Schluss, dass die stärkste Macht über das Empfinden der Zeit durch Aufmerksamkeit ausgeübt wird. "So können wir steuern, wie lang oder wie kurz wir eine Spanne empfinden wollen (...) Damit aber, dass wir die Zeit auch zu dehnen vermögen, sind wir wenig vertraut (...)" [1]
Ab ins kühle Nass
Und dann, irgendwann, ist er vorbei der Sommer...so wie eigentlich der Frühling auch einfach vorbeigegangen ist. Nur ist es beim Sommer eben etwas anderes. Wir werden wehmütig. Schon im August beginnen wir Menschen uns zu beklagen, dass er viel zu schnell vergangen ist. Dabei haben wir technisch gesehen dann noch über fünf Wochen Zeit bis der Herbst beginnt. Und bei den momentanen klimatischen Verhältnissen halten die 20 Grad eventuell sogar bis in den Oktober hinein. Das Sommerende machen wir jedoch meist eher am Schulbeginn fest. Allerspätestens im September haben sich dann sogar die härtesten Herbstgegner gedanklich vom Sommer verabschiedet.
Kleine Wunder mal anders
Partytime - die letzten lauen Abende genießen
Genuss statt Mimimi
Für unsere Familie ist dieser Sommer der letzte, bevor wir ein Schulkind haben. Das ist ein weiterer Grund warum es sich gegen Ende des Frühlings besonders wichtig angefühlt hat, diesen einen letzten Sommer vor der Schule richtig zu genießen und auszunutzen. Für wahrscheinlich alle ist dieser Sommer eine Pause zwischen dem Lockdown im Frühjahr und einer Zeit, die wir noch nicht vorhersehen können, die aber vermutlich wieder mit Einschränkungen des Lebens einhergehen wird. Der Sommer 2020 ist (oder war) ein Durchatmen - ein Aufatmen.
Wenn wir ihn
alle so lieben, warum haben wir dann meist schon im August mit ihm
abgeschlossen? Wir könnten stattdessen versuchen, den Spätsommer (möge er so
lange wie möglich anhalten) hochleben zu lassen und unsere Energie nicht an die
vergangenen Tage zu verschwenden. Sondern im Hier und Jetzt zu leben. Genießen
wir, dass die extreme Hitze vorüber ist und wir trotzdem noch Barfuß gehen
können. Genießen wir, dass wir abends zwar mit Weste, aber ohne Gelsen draußen
sitzen können. Genießen wir die Äpfel, Zwetschken und Weintrauben. Genießen wir
das Jetzt!
Schönes Wochenende
Eure Anna
[1] Klein, Stefan: Zeit. Der Stoff aus dem das Leben ist. Eine Gebrauchsanleitung. Fischer Verlag. 2. Auflage. 2010. S: 84